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Positionspapier der BAGSV: „Bildung umfassend fördern statt verteuern und bürokratisieren“

Positionspapier der BAGSV: „Bildung umfassend fördern statt verteuern und bürokratisieren“

„Die Neufassung von § 4 Nr. 21 UStG im Jahressteuergesetz 2024 muss unbedingt überarbeitet werden, damit etwa berufliche Weiterbildung, musikalische Bildung, künstlerischer Tanzunterricht, kulturelle Bildung sowie die Entwicklung kommunikativer Kompetenzen für Bürgerinnen und Bürger weiterhin erschwinglich bleiben“, heißt es in einem neuen Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV), das von insgesamt 34 Verbänden und Initiativen ausdrücklich mitgetragen wird.

 

Namentlich: Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD); Allianz deutscher Designer (AGD); Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik (DBFT); Bundesverband der Freien Musikschulen (BDFM); Gesellschaft zur Förderung Angewandter Betriebswirtschaftslehre und Aktivierender Lehr- und Lernmethoden in Hochschule und Praxis (Gabal); Bündnis DaF/DaZ Lehrkräfte; Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP); Berufsverband für Integrations- und Berufssprachkurse (BVIB); Interessengemeinschaft der selbstständigen DienstleisterInnen in der Veranstaltungswirtschaft (ISDV); Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ); Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie (AGEV); German Stunt Association - Bundesverband der Stuntleute (GSA); Deutscher Tonkünstlerverband - Landesverband Berlin (DTKV); Trainerversorgung e.V.; Illustratoren Organisation; Deutscher Tonkünstlerverband (Bund) (DTKV); Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN); Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDYOGA); Deutscher Musikrat (DMR); Der Mittelstand BVMW; Allgemeiner Deutscher Tanzlehrerverband (ADTV); Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband); Bundesverband der Fernsehkameraleute (BVFK); Bundesverband Tanz in Bildung und Gesellschaft (Aktion Tanz); Deutsche Musik- und Orchestervereinigung (Unisono); Deutsche Jazzunion; Verband freier Musikschaffender (Pro Musik); Berufsverband Musik - Tonkünstlerverband Sachsen; Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen (BDG); Royal Academy of Dance gGmbH; Ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern (SK³); Wirtschaftsverband Deutscher Tanzschulunternehmen (WDTU); Verband Deutscher Puppentheater (VDP); Verband deutscher Musikschulen (VdM).

 

 

Das gemeinsame Positionspapier im Wortlaut:

 

„Artikel 132 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) muss europarechtskonform und ohne neue Bürokratisierung in nationales Recht umgesetzt werden, insbesondere nach der Rüge durch die EU-Kommission vom Februar 2024 und entsprechend der ständigen Rechtsprechung durch den Bundesfinanzhof (BFH) sowie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

 

Laut EU-Richtlinie soll Bildung umfassend von der Umsatzsteuer befreit werden: ‘Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.’ (Artikel 132 Buchstabe i MwStSystRL).

 

Der aktuelle Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 setzt bezüglich § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz diese EU-Vorgabe aber nicht um, sondern verkompliziert sie durch neue Ausnahmen und schafft damit weitergehende Bürokratie und neue Rechtsunsicherheiten. Er widerspricht damit auch der Wachstumsinitiative der Regierung vom 5. Juli 2024: ‘...wird die Bundesregierung ab sofort EU-Richtlinien in der Regel 1:1 in nationales Recht umsetzen und bestehende überschießende Umsetzungen identifizieren und reduzieren’.

 

Die EU-Vorgaben werden unionsrechtlich nur dann angemessen umgesetzt, wenn Bildung ohne neue Ausnahmeregelungen von der Umsatzsteuer befreit und Fortbildung nicht in Teilen von der Steuerbefreiung ausgeklammert wird. Der nach diesem Entwurf zusätzlich zu prüfende Tatbestand einer Gewinnverwendung für Bildung ist in der Praxis kaum umsetzbar: Bei ein und demselben Kurs müssten unterschiedliche Preise verlangt werden, denn die Lerninhalte sind oft identisch, allein die Motive der Teilnehmenden unterscheiden zwischen Aus- und Fortbildung. Zudem müssen zum Beispiel Einzelunternehmer/innen Gewinn erzielen, um von diesem nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben ihre Lebenshaltungskosten bestreiten zu können. Die Neuregelung bringt Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Anbieter und neuen bürokratischen Aufwand, obwohl das europarechtlich nicht notwendig ist.

 

EU-Gesetzgebung und EuGH gehen davon aus, dass Bildungsleistungen auch dann dem Gemeinwohl dienen, wenn sie von gewinnorientierten Einrichtungen erbracht werden, da Bildung auf jeden Fall der Gemeinschaft dient, sofern sie die nötigen Qualitätsstandards erfüllt. Die dazu notwendigen Rahmenbedingungen und die Anerkennung einer vergleichbaren Zielsetzung im Sinne von Art. 132 sollten dabei von einer dafür fachlich qualifizierten Institution überprüft werden. Die MwStSystRL verfolgt dabei den Zweck, die Leistungsempfänger, also Endverbraucher ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit, nicht mit Steuern für die Inanspruchnahme der Bildungsleistungen zu belasten. Die Förderung großer Bildungsanbieter, die vom Vorsteuerabzug profitieren, ist nicht Zielsetzung der EU-Richtlinie. Vielmehr handelt es sich um ein Endverbraucherprivileg. Auch Erziehung von Kindern und Jugendlichen dient unmittelbar dem Gemeinwohl. Auch in § 4 Nr. 23 a UStG sollte die Steuerbefreiung nicht von der Gewinnerzielungsabsicht abhängig gemacht werden, damit sie Endverbrauchern zugutekommt.

 

Vielen Bildungseinrichtungen ist es wirtschaftlich nicht möglich, freiberufliche Lehrende, die in Deutschland rechtlich als ‘selbständige Lehrer’ bezeichnet werden, fest anzustellen. Was im allgemeinbildenden Schulunterricht machbar ist, würde die große Palette innovativer freier Bildungsangebote verengen. Um freiberufliche Lehrende nicht unkalkulierbaren Risiken wie Insolvenzen durch langjährige Steuernachzahlungen auszusetzen, ist es notwendig, ‘selbständige Lehrer’ ausdrücklich nach dem Gesetzeswortlaut von der Umsatzsteuer zu befreien, wie das bereits vor Jahren in § 4 Nr. 21 b realisiert wurde. Eine Nennung in der Gesetzesbegründung reicht dabei nicht aus, um angemessene Rechtssicherheit für die hunderttausenden freiberuflich Lehrenden zu gewährleisten.

 

Das Bescheinigungsverfahren hat sich in der Praxis bewährt. Allerdings muss darin die von der EU-Kommission gerügte inhaltliche Verengung auf Ausbildung überwunden werden, um unionsrechtlich nicht wieder angreifbar zu sein. Die EU-Richtlinie fordert bei privaten Bildungsanbietern allerdings, dass die vom betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung eine vergleichbare Zielsetzung hat wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts. Das kann nur eine Landesbehörde prüfen, die inhaltlich mit Bildungsfragen betraut ist. Das Finanzamt sollte deren Bescheid künftig als Grundlagenbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO als Entscheidungsgrundlage nutzen. Mit dem so weiterentwickelten Bescheinigungsverfahren würde weiterhin sichergestellt, dass reine Freizeitveranstaltungen nicht von der Umsatzsteuer befreit werden. Ein solches rechtssicheres und den Zielen der EU-Richtlinie dienendes Verfahren würde Bildung effektiv und umfassend fördern.

 

Die Abschaffung des Verwaltungsverfahrens auf Erteilung einer Bescheinigung der Landesbehörde gem. § 4 Nr. 21 a) bb) UstG für Bildungseinrichtungen bedeutet einen unzulässigen Eingriff in die Kulturhoheit der Länder. Diesen obliegt der Entscheidung darüber, welche Bildungsleistungen sie etwa in Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen des jeweiligen Landes für wünschenswert halten. Der Erhalt eines gestärkten Bescheinigungsverfahrens vermeidet streitige Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung. So können die Länder bescheiden, was Bildungsleistungen sind (steuerfrei ohne Vorsteuerabzug) in Abgrenzung zu Freizeitgestaltungen (steuerpflichtig mit Vorsteuerabzug).

 

Buchstabe b) des Regierungsentwurfs sieht vor, den Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer zu befreien, der von Privatlehrern erteilt wird. Diese Regelung muss nach Rechtsprechung des EuGH und des BFH analog für Leistungen gelten, die der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, der Vorbereitung auf einen Beruf, Fortbildung und der Umschulung dienen. Die Formulierung ‘Privatlehrer’ im Entwurf ist allerdings missverständlich. Es wäre wichtig, wie im Wortlaut anderer Übersetzungen der MwStSystRL, von ‘privat erteilten Unterrichtsleistungen, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen’ zu sprechen. Der aktuelle Entwurf ist lediglich eine ‘leere Hülse’, da die EuGH-Rechtsprechung speziell erteilten Unterricht begrifflich nicht als ‘Schul- bzw. Hochschulunterricht’ betrachtet; Voraussetzung sei dafür nämlich eine Unterrichtstätigkeit in einem breit gefächerten Rahmen. Mit der hier vorgeschlagenen Formulierung wäre demgegenüber klar, dass es sich hier nicht, wie unter a), direkt um Schul- und Hochschulunterricht handelt, sondern um persönlich erbrachte Bildungsleistungen jenseits einer Schuleinbindung. Außerdem würde deutlich, dass die Befreiung nicht auf eine bestimmte Rechtsform zielt, sondern neben natürlichen Personen auch juristische Personen unter die Befreiung fallen. Ebenso wäre es wichtig, hier wie in a) auch die damit ‘eng verbundenen Leistungen’ in den zu begünstigenden Bereich einzubeziehen, um wettbewerbswidrige Ergebnisse zu vermeiden. Damit wäre die Umsetzung unionrechtssicher und es würde dem Ziel der EU-Richtlinie entsprochen, dass die Befreiung von Bildungsleistungen auch umfassend die Endverbraucher erreicht, die nicht die Möglichkeit haben Vorsteuer abzuziehen.“

 

(Grafik: BAGSV)

 

www.bagsv.de

 

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